Erfahrungsbericht Olivia, Manuel und Emilie

Drei ? Ja, Drei!

Wer hat schon mal erfahren, dass es drei Kinder werden?
Es ist schon eine spannende Sache, das Wort Drillinge das erste Mal auszusprechen. Und noch spannender es anderen mitzuteilen. Ich hätte nicht erwartet wie viele verschiedene Reaktionen das auslösen kann, dieses kleine Wort über das mein Mann und ich uns so freuten.
Naja, ich muss dazu sagen, wir waren etwas darauf vorbereitet. Da wir uns bewusst dafür entschieden haben, alle drei Eizellen einsetzen zu lassen. Und unsere Eltern wussten auch Bescheid. So dass deren, ach du Scheiße… echt? … und ehrlich? … noch überzeugte Freude rüberbrachten. Diese Worte „ ach du Scheiße“ hörten wir nun des Öfteren. Immer wenn wir jemanden erzählten, hey wir sind schwanger, kam es freudig aus dem Gegenüber, oh schön. Und dann kam von uns freudig, ach übrigens haben wir mehrfach zugeschlagen, wie Zwillinge…, naja auf alle Fälle…, und noch eins dazu…, Drei????..., ja Drillinge…, du Arme…, ach du Sch….
Nun müsst ihr wissen wie das Gegenüber seinen Gesichtsausdruck versucht von Schreck über Mitleid nach Freude zu schrauben, damit wir die Bedauerung nicht so offensichtlich merken.
Wir haben viele Arten der Mitteilung ausprobiert. Und zwischendurch, dachten wir, es sei besser, nur zu erwähnen, dass wir schwanger sind und dann zu schmunzeln, wenn die Frage kommt, wisst ihr was es wird. Denn es ist sicher, eins wird es auf alle Fälle.
Doch dann kamen Freunde, die fragten, ob es eine Pille gegen Freudentänze gibt, oder wie man aufhört, vor Freude ganz hippelig zu sein. Oder Familienmitglieder die um Luft ringen, um die Überraschung zu verdauen, oder auch die Stricknadeln sofort in die Hand nehmen, und das bringt uns wieder dazu, es zu sagen: Ach übrigens es werden Drillinge.

So geht mein Buch los, welches ich während der Schwangerschaft begonnen habe zu schreiben. Und was ich auch immer noch fortsetze. In erster Linie schreibe ich es für uns und für die Drei. Denn es ist nicht einfach, in unserer schnelllebigen Zeit, sich an alle Ereignisse zu erinnern. Ich möchte ihnen genau erzählen, wie wir erst zu zweit und dann zu fünft um ihr Dasein gekämpft haben.
Mittlerweile denke ich daran es zu veröffentlichen, wenn es fertig ist. Ich habe lange überlegt, was ich hier rein schreibe. Ich nehme einfach eine Stelle aus dem Buch.

Schlimmer Morgen
Es ist Freitagmorgen, ich bin grad aufgewacht und froh, dass ich die Nacht mal geschlafen habe. Unsere drei sind noch ruhig, schlafen sicher noch. Mein Mann schickt mir gerade eine sms, dass er auch eben aufgestanden ist. Ich bin froh, er kommt heute wieder nach Hause. Ich bin kein Mensch, der gern allein daheim ist, mir fehlt dann einfach etwas, und ich freue mich aufs Weihnachtsschmücken. Am Samstag wollen wir auch versuchen, ob ich es noch auf den Weihnachtsmarkt schaffe.
Während ich meinem Mann zurück schreibe, dass ich auch grad wach wurde und wir uns auf ihn freuen und Bussi Bussi von uns vieren durch die Leitung schicke, merke ich dass irgendetwas läuft. Ist meine Blase denn so voll, wundere ich mich, auf dem Weg zur Toilette wird es immer mehr. Ich ahne dunkel, dass ist sicher kein Urin, dies bestätigt sich auch Sekunden später.
Super, ich gerate leicht in Panik, es ist keiner im Haus. Ich rufe meinen Mann an, Schatz ich habe einen Blasensprung, das darf doch nicht sein nicht jetzt. Es ist viel zu früh dafür, Schatz ich muss den Notdienst rufen. Oh Mann, ich brauch dich.
Der Notdienst war schnell zur Stelle und es ging gleich mit Blaulicht und tatü in die Klinik, da kommt einem die ganze Angelegenheit noch viel schlimmer vor. Die Hebamme erwartet uns an der Tür zum Kreissaal, unsere Hebamme, ein Glück, da ist jemand den ich kenne, ich brauche jetzt ein vertrautes Gesicht sonst dreh ich durch. Sie redet beruhigend auf mich ein und macht das wichtigste der Welt, was es wohl für aufgebrachte Mütter gibt. Sie sucht die Herztöne der drei, denn da sie um die Zeit noch schlafen, waren sie von mir nicht dazu zu bringen, sich zu bewegen.

Alle drei waren wohlauf, das beruhigte mich aber nur recht wenig. Meine Gedanken kreiseln immer nur um die Worte, es ist zu früh, einfach zu früh. Der Doktor untersuchte mich, machte Abstriche, eindeutig Fruchtwasser was hier läuft, sie bekommen jetzt die erste Lungenreifung und eine Tokolyse, und ich mache gleich einen Ultraschall um zu schauen wo und wie viel. In der Zwischenzeit kamen meine Eltern, Mutti blieb da, ein Glück noch jemand vertrautes, die Hebamme musste ja zu einer Geburt.
Der Ultraschall bestätigte den Blasensprung beim unten liegenden Mädchen. Wie geht es denn nun weiter? Wir warten erstmal ab, noch ist genug Wasser drin, prophylaktisch geben wir noch Antibiotika und wenn es wieder mehr abläuft melden sie sich sofort. Sollte es sich beruhigen, könnten wir noch bis zur 28.SSW kommen, wenn das Kind auf dem Trocknen sitzt, hängt es von den Infektionswerten ab, dann werden es nur noch ein paar Tage.

Das sind die schrecklichsten Worte, die ich hören wollte. Ach Kind was machst du denn nur für einen Mist, war es dein Rumgehopse gestern Abend, hast du da deine Schutzhülle durchgestoßen.
Wenn man als Mutter einen Verlauf nicht mehr bestimmen oder beeinflussen kann, ist es einfach nur noch alles schlimm. Auch die aktuellen Werte von den Gewichten unserer drei ändern da nicht viel. Die untere hat schön zugenommen 690g, der Junge hat nun ein Gewicht von 520g und die obere Maus wiegt 570g, sie haben innerhalb einer Woche ca. 70g zugelegt.
Aber um jetzt schon auf die Welt zu kommen ist es nicht ausreichend. Die beiden Zwillingsmamas zu denen ich aufs Zimmer komme sind sehr nett, wir verstehen uns auf Anhieb.
Mein Mann ist am Abend endlich wieder zu Hause, ich sehe ihm den Schreck an und das er sich ebenfalls fragt, wie es nun weitergeht. Ich kann es ja selber nicht sagen, wir können uns nur gegenseitig trösten, aber wie.

Als ich mich zur Nacht hinlege, läuft es wieder und mehr als am Morgen. Nach dem die zweite Vorlage komplett durch war, klingelte ich nach der Schwester. Die fragte mich nur, warum ich deswegen klingeln würde, na weil der Arzt mir das so gesagt hat, es ist nur Fruchtwasser solange es nicht blutet, machen wir eh nichts. Aber der Arzt sagte ausdrücklich zu mir wenn es stärker wird soll ich mich sofort melden.
Hat die gar kein Mitgefühl, ich habe Angst um meine Kinder und die tut überfordert. Schade im Dunkeln und ohne Brille kann ich den Namen nicht lesen, vorgestellt wird sich ja hier nicht.
Widerwillig sagte sie, ich frage den diensthabenden Arzt mal. Nach einer Weile kam sie zurück, meinte wir sollen abwarten, und der Nachtdoktor sagt dem Oberarzt er solle noch mal mit dem Schall morgen schauen. Wenn es blutet möge ich mich wieder melden.
Und schon war sie zur Tür raus. Ich sitze wie vor dem Kopf gestoßen auf meinem Bett und merke wie mir die Tränen in die Augen schießen. Mein Herz flattert von der Infusion und ich rege mich dazu noch auf, das ist nicht gut. Ach meine drei, wie geht es denn nun weiter.
Gegen 3 Uhr lässt es langsam nach, und ich versuche wenigstens bissel zu schlafen. Ich kann nicht mehr, meine Nerven sind zum zerreißen, und ich heule nur noch vor mich hin.

Welche Erfahrungen sind wichtig für mich gewesen und eventuell auch für andere Eltern von Interesse? Ich habe aus den Erfahrungen von anderen nicht sehr profitiert. Meist haben die mich verwirrt, mir Angst gemacht oder die Sorgen, welche ich so schon hatte, verstärkt. Ich glaube jeder macht seine eigenen Erfahrungen und verarbeitet sie auch individuell.
Das Wichtigste war für mich der Moment, als ich mein eigenes Bauchgefühl wieder hatte. Denn ab diesem Zeitpunkt konnte ich mit all dem Stress besser umgehen.

04.01.2010 - Unser großer Tag
Die Zeit rückt wirklich schnell voran. Ich kann es kaum glauben, es ist Montag, unser großer Tag. Mein Mann ist auch schon auf dem Weg in die Klinik. Bei mir steigt langsam die Anspannung und die Schwestern machen eine Hektik, die schon nicht mehr schön ist. Auch ich werde dadurch langsam unruhig.
Ich bin froh als mich mein Mann in die Arme nimmt und sagt es wird alles gut, gleich sehen wir unsere Babys. Unsere Babys, hoffentlich sind sie fit für diesen Tag. Der ganze Stress, die Angst alles bricht aus mir heraus.
Dann kommt auch noch ein Notfall dazwischen, so dass wir zum erneuten Warten gezwungen sind. Dann geht alles sehr schnell, die Hebamme fährt uns hoch zum Op, da werden wir gleich in Empfang genommen. Mein Mann wird zur Umkleide gebracht, ich heule und er ist immer noch gelassen. Und da soll noch mal einer von ihm behaupten, dass er so was nicht verträgt.
Noch während ich stolz bin auf meinen kleinen Papa, habe ich die nächste Nadel im Arm, zwei Anästhesisten reden beruhigend auf mich ein, EKG Pflaster kleben auf der Brust und ich finde mich sitzend auf dem Op Tisch wieder. Hand in Hand und alles mit Ruhe vermittelnd.
Die Beine werden taub ich liege und der Tisch wird gekippt. Ich zittere wie verrückt, vor mir wird der Trennvorhang aufgespannt, und dann steht auch schon mein Mann hinter mir und redet auf mich ein. Es ruckelt an meinem Bauch herum und dann wird uns auch schon unser erstes Kind gezeigt. Olivia 1460g, 40cm, 10:01 Uhr, dieses Kind, so groß und doch so zerbrechlich wirkend.
Eh ich weiter denken kann, höre ich den nächsten Schrei und die Schwester sagen und er pullert gleich los. Manuel 1200g, 38cm, 10:02 Uhr, er wirkt sehr zerknittert, mehr bekomme ich nicht mit, denn da kommt schon die nächste.
Emilie 1090g, 37cm, 10:03 Uhr, obwohl am meisten Platz doch die Kleinste.

Unsere Drei, da sind sie nun. Willkommen in eurer neuen Welt und jetzt kämpft. Ich bin noch 2 Stunden im Aufwachraum und zittere weiter vor mich hin. Ich werde hier gut betreut und zwischendurch schlafe ich kurz ein, dadurch merke ich gar nicht wie die Zeit vergeht.
Als ich auf der Station bin, ist mein Mann gerade zum Fotos machen bei den Kindern. Zwischenzeitlich hat er der Familie Bescheid gegeben, das alles soweit gut gelaufen ist. Ich schlafe immer wieder ein, kann kaum reden und die Augen offen halten. Irgendwann steht er neben mir und berichtet mir mit traurigen Augen, dass es Manuel nicht so gut geht.
Oh mein Herz, ich würde am liebsten aus dem Bett und zu dir rüber kommen, aber ich bin nicht einmal in der Lage normal zu reden. Meine Gedanken schicke ich dir, kämpfe mein Schatz, kämpfe. Setze dich jetzt durch, du schaffst das.

Mein Mann und ich wollen nun doch ein Familienzimmer, da ich Angst habe allein eine schlechte Nachricht zu erhalten. Wichtig finde ich auch, dass auf der Intensivstation Schwestern und Ärzte ein Ohr haben. Und dies kann ich bestätigen. Immer wenn wir Fragen hatten oder Sorgen, konnte uns jemand helfen damit zurecht zu kommen. Ich finde es schön, dass alle sich ihr Lachen bewahrt haben, trotz der nicht immer so einfachen Aufgaben.
Ich weiß noch als ich eines Tages voll Sorgen zur Intensiv gewandert bin und Angst hatte, wie es den Kindern wohl heute geht. Als ich vor der Tür stand und meine Hand zur Klingel wanderte, da hörte ich drinnen alle herzlich lachen. Und dies hat mir gut getan, ich wusste es ist alles in Ordnung. Was lachen doch für eine positive Wirkung haben kann.
Wenn ich unsere drei Hopser so beobachte, sie streichele, ihnen Geschichten vorlese, Lieder vorsinge oder Märchen in der Kurzfassung erzähle, dann bin ich unendlich glücklich und dankbar. Dankbar, dass wir diesen Weg gegangen sind. Dankbar, dass sich die drei in mir festgehalten haben. Dankbar, dass bis zur 24. Woche alles so gut lief. Dankbar, dass ich an dem schlimmsten Tag meines Lebens meine Hebamme an meiner Seite wusste. Und ich einen Oberarzt kennenlernen durfte, der noch in seinem Beruf aufgeht und mit uns gekämpft hat.
Ich bin dankbar, dass ich Zimmernachbarinnen hatte, mit denen man lachen und heulen konnte. Dankbar, dass wir so viele daumendrückende Verwandte und Freunde haben, die mir unermüdlich Mut gemacht haben.
Meinem Mann, der immer alles stehen ließ, nur um in die Klinik zu kommen und zu trösten. Und auch unseren Eltern. Es ist vieles leichter, wenn man Unterstützung im Rücken hat.
Dankbar den Schwestern und Ärzten der Intensivstation, die mit ihren Schützlingen mitleiden und kämpfen.

Wir sind bis zur 30. Woche gekommen und den Dreien geht es mittlerweile sehr gut. Sie haben die 2000g Marke geschafft und üben fleißig von der Flasche zu trinken.
Und wenn ich heute weine, dann vor Glück. Ich wusste bisher nicht, wie viele Tränen man haben kann. Nach und nach lasse ich die schlimme Zeit hinter mir, vergessen werde ich sie sicher nie.

Ich überlegte gerade wie ich den Bericht beende, und las rückblickend in meinem Buch über den 2. Ultraschall im Kinderwunschzentrum. Und einen kleinen Auszug aus dieser Episode finde ich gut als Abschluss:
… Schatz, sagte ich am Handy, Schatz es sind Drei und sie klopfen alle drei um die Wette. Nächste Woche schauen wir wieder, da musst du dann mitkommen, damit du das auch siehst.
Als ich nach Hause kam, legte ich meiner Mutter das Bild hin ohne etwas zu sagen. Was, meinte sie, na da ist die Gebärmutter…, das sind drei Punkte, ja sind es…, Drei??? Sie griff zum Handy und als mein Vater ans Telefon ging, sagte sie nur, eins, zwei, drei…, na eins, zwei, drei…. Es war kurz Ruhe und dann meinte er, wie bekommen wir die drei auf unserem Boot unter…

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