Erfahrungsbericht Fabius und Maximus

Fabius & Maximus *12.12.2006

26. September 2006 – ich gehe zum Frauenarzt mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Einen Tag zuvor machte ich einen Schwangerschaftstest, weil meine Regel ausgeblieben war – positiv – trotz Pille! ... Meine Ärztin beruhigte mich, die Regel kann schon mal ausbleiben, usw. – und dann der Ult­raschall. Auf einmal ist es ruhig und ich höre nur noch „Sie sind schwanger, ... Moment ... da bewegt sich noch ein Kind – ZWILLINGE“!!

Ab diesem Moment stand ich für mehrere Tage unter Schock, ich konnte mich nicht freuen aber auch nicht weinen, wusste auf einmal gar nichts mehr. Da waren sie also in meinem Bauch, 15. Woche, putzmunter, zwei kleine Köpfchen, 4 Beine, 4 Arme – alles strampelte froh in mir herum, ohne dass ich irgendetwas bemerkt hätte, ich hatte bis dahin noch nicht einmal zugenommen.
Ab diesem Tag veränderte sich alles, mein Bauch begann runder und runder zu werden, mein Freund nahm die Nachricht glücklicherweise freudig überrascht auf und so nach und nach gewöhnte ich mich an den Gedanken, im nächsten Jahr zwei Kinder zu bekommen.

Die Schwangerschaft verlief absolut problemlos, mich plagten weder Übelkeit, Heißhunger noch schwere Beine etc., jeder Arztbesuch war absolut zufriedenstellend, die zwei entwickelten sich präch­tig. Mein Bauchumfang ist bis Anfang Dezember auf stolze 99 cm gewachsen.
Ich bin in der 26. Woche, es ist Sonntag und ich habe ab und zu ein leichtes Ziehen im Bauch, schiebe es aber auf den Stress und nach ein bisschen Ruhe hat sich alles beruhigt. Es ist Montag und ich spüre wieder ab und zu ein Ziehen im Bauch/Rücken und rede mir aber jeden Gedanken, dass es Wehen sein könnten aus, da es ja noch nie im Leben so weit hätte sein können. Die beiden bewegen sich außerdem sehr viel, vielleicht kommt es auch daher?!

Montagabend sitze ich noch beim Frisör, fahre nach Hause und nur wenige Stunden später liege ich schon auf dem OP-Tisch der Dresdner Uniklinik zum Notkaiserschnitt!
Die Ärzte gaben mir noch die Lungenreifespritze, leider nützte diese nichts mehr, da ja zwei Stunden später dann doch schon die OP war. Ich erinnere mich noch genau an die hell beleuchteten Krankenhausgänge, durch die ich schnell geschoben wurde. Ich durfte mich nicht mehr bewegen, die Wehen wurden nun auch schon etwas stärker, mein Muttermund war schon 8 cm geöffnet und Fabius (er lag unten) strampelte mit seinen Beinchen quasi genau gegen den Muttermund.
Maximus lag oben im Bauch und seine Fruchtblase war bereits seit ungefähr einem Tag geplatzt, ohne dass ich es bemerkte, da Fabius ja direkt unter ihm lag und so ging kein Fruchtwasser ab wie man es normalerweise erwartet.

Es wurde noch ein letzter Ultraschall gemacht, um das ungefähre Gewicht der beiden zu schätzen (ich sollte noch die Bemerkung des Arztes erwähnen „Sind Sie sicher, dass es nur zwei sind?“ ...), Unterlagen unterschreiben über Risiken etc., die Namen der Hebamme geben und mit den Worten des operierenden Arztes „Wir tun unser Bestes, können Ihnen aber nichts versprechen. Bitte stellen Sie sich auf alles ein, im Moment müssen wir in erster Linie Sie retten“ schob man mich in den OP.

Mein Freund konnte leider nicht dabei sein, er war gerade auf dem Weg ins Krankenhaus, also drückte ich die Hand des Narkosearztes und war vor Sorge völlig abwesend. In dem Moment dachte ich kurz, alles verloren zu haben, dann sagte ich mir, wir drei müssen das jetzt gemeinsam schaffen!!

Am Dienstag, dem 12.12.2006 um 2:16 Uhr wird Fabius mit 950g und 35 cm auf die Welt geholt und 2:17 Uhr Maximus mit 970 g und 34 cm – ihn höre ich auch als einzigen kurz schreien. Ich konnte die zwei leider nicht sehen, da ihnen jede Menge Fruchtwasser abgesaugt werden musste und sie sofort intubiert (künstlich beatmet) werden mussten.
Sie kamen auf die Intensivstation und ich wieder in den Kreißsaal, bis ich dann auf Station gebracht werden konnte. Die Inkubatoren wurden an mir vorbeigeschoben aber die beiden waren so winzig und „verkabelt“, dass ich Sie von meiner Liege aus nicht sehen konnte. Mittlerweile war auch mein Freund bei mir und wir waren einfach sprach- und hilflos!
Die Schmerzen vom Kaiserschnitt wurden nach und nach weniger und ich wollte so schnell wie mög­lich fit werden, um auch allein zu meinen Kindern zu gehen. Doch das erste Mal schob mich mein Freund im Rollstuhl auf die Intensivstation am 13.12.2006.

Da lagen Sie, in verschiedenen Zimmern, Schläuche in der Nase, der Nabelschnur, den Armen, die Haut rot und fast durchsichtig, die Augen scheinbar zugewachsen und ohne Wimpern. Einfach nur ein trauriger und schockierender Anblick, sie so zu sehen. MEINE KINDER, musste ich jetzt nicht Mut­tergefühle bekommen, eine Beziehung zu ihnen haben, meine Kinder erkennen?!
All das war nicht da, und ich fühlte mich schuldig, ratlos und konnte immer noch nicht ganz verstehen, was eigentlich passiert ist. Auf dem Weg zurück in mein Zimmer brach ich dann entgültig in Tränen aus ... Körperlich gesehen ging es mir relativ schnell besser, alles verheilte gut und ich konnte schnell wieder aufstehen. Frühstück musste ich mir auf der Neugeborenenstation holen wo nun alle glücklich mit ihren Kindern durch die Gänge schoben, und man überall Babygeschrei hören konnte ... das gab mir noch den letzten Rest!
Nach meiner Entlassung folgten scheinbar endlose Krankenhaustage und –wochen mit einer stän­digen Berg- und Talfahrt, gab es an einem Tag gute Nachrichten, so schauten uns meist wenige Tage später wieder besorgte Ärzte an.
Die erste OP am Ductus arteriosus bei Maximus am 24.12.2006(!) - Fabius dann am 30.12.2006. Augenlasern dann im Februar, da aufgrund des ständigen Kontaktes mit reinem Sauerstoff die Netzhaut begann, sich abzulösen. Aber es ging auch wieder bergauf, irgendwann hielten sie dann die Temperatur und kamen aus dem Inkubator, Schluck für Schluck klappte das Trinken aus dem Fläschchen besser, die ersten Spazier­gänge auf dem Klinikgelände.
Das Gewicht und der Gesamtzustand näherten sich langsam dem größten Ziel – endlich nach Hause gehen!! Am 14.03.2007 hatten wir vier dieses Ziel erreicht, nach 3 Monaten und 2 Tagen Klinik, täglichen Fahrten Chemnitz – Dresden – Chemnitz und endlosem Bangen durften wir vier also nach Hause!
Der schönste Tag seit langem aber auch ein sehr aufregender, ob man so ganz ohne Überwa­chung usw. alles richtig macht und die Atmung klappt. Aber diese Sorgen waren unbegründet – zwar stand ich in dieser ersten Nacht des öfteren am Kinderbett und lauschte dem Ein- und Ausatmen – doch alles war bestens.
Es war sehr oft stressig und schwierig den Zwillingsalltag zu meistern. Man funktionierte zwischen Küche, Kinderzimmer und Waschkeller – die Schlafphasen schnell selbst für ein Nickerchen genutzt, um wieder fit für die nächsten Hungerschreie zu sein. Ein Haufen Arzttermine anfangs - aber trotz des Schlafmangels und der vielen Arbeit war das doch endlich der Alltag, auf den ich so lang gewartet hatte.
Schon bald begannen wir auch mit der Physiotherapie und machten erste Fortschritte, und das aller­schönste ist doch das erste bewusste kleine Kinderlachen, bei dem mir heute noch jedes Mal das Herz aufgeht. Mittlerweile haben wir den ersten Geburtstag gefeiert, viel erlebt, die 10 kg-Grenze überschritten - Fabius steht für kurze Zeit schon freihändig und Maximus hat gerade das erste be­wusste „Mama“ gesagt. Die Zeit vergeht wie im Flug und man kann sich kaum alles merken, was von Tag zu Tag passiert aber es ist wunderbar zu sehen, was für tolle kleine Menschen aus dem anfäng­lichen Schreck geworden sind – und außer einer BPD (Bronchopulmonale Dysplasie) durch die Beat­mung, welche aber auch immer besser wird, ist glücklicherweise nichts von der frühen Geburt zurück­geblieben.

Durch die Elterninitiative „Chemnitzer Frühchen“ habe auch ich endlich Menschen gefunden, die mich und meine Sorgen verstehen und vor allem kann ich dort erstmals richtig darüber reden. Bis jetzt habe ich all das Erlebte in mich hinein gefressen und dachte, ich komme schon allein damit klar und mit der Zeit verblassen die Erinnerungen – doch irgendwann kommt der Punkt (bei mir ein Jahr, nachdem sie eigentlich hätten zur Welt kommen sollen) wo ich es nicht mehr mit mir selbst ausmachen konnte und zufällig und glücklicherweise bin ich in diese Elterngruppe gekommen.
Ich kann allen Frühchenmuttis nur empfehlen, sich jemandem anzuvertrauen, Hilfe zu suchen und anzunehmen, ihr müsst nicht allein damit klarkommen, es hilft unwahrscheinlich viel, mit betroffenen Eltern zu reden!!

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