Erfahrungsbericht Jonas
Das erste was ich von Dir gesehen habe war ein „Reiskorn" auf einem sonst schwarzen Blatt Papier.
Es zeigt Dich in der 8. SSW. Natürlich schwebten wir auf einer rosa Wolke.
Emsig besuchte ich Geburtsvorbereitungskurse. Ich wollte doch im entscheidenden Moment alles richtig machen.
Aus heutiger Sicht hätte mir vielleicht schon damals auffallen müssen, dass sich mit Dir etwas Besonderes „anbahnte“. So wuchsen die Bäuche der anderen Mamis zusehends, nur Du, Du hast Dich zurückgehalten und mich nur mäßig verformt. So kam es dann auch, dass uns in der 32. SSW mitgeteilt wurde, dass Du zu klein bist – „to small for date“ – so die Diagnose.
Dann bist Du eben etwas kleiner, dachte ich und habe dann keinen weiteren Gedanken an eine unnormale Entwicklung verschenkt, zumal ich mich wohl fühlte. Der Gedanke, dass eine möglichst perfekte medizinische Einrichtung für Dich lebenswichtig sein wird, lag für uns in weiter Ferne.
Nur zwei Tage nach dieser Diagnose, es war der 07.09.2001, wurde unser und auch Dein Leben völlig auf den kopf gestellt. Durch engmaschige CTG – Kontrollen ist aufgefallen, dass Dir irgendwie die „Puste“ ausgegangen sein musste. Man war der Meinung, dass es Dir echt schlecht ginge und hier draußen für Dich mehr getan werden konnte.
Ich konnte Dich leider erst zwei Tage nach dem Notkaiserschnitt auf der Neugeborenen - Intensivstation besuchen. Da lagst Du nun in Deinem Inkubator, verkabelt mit Schläuchen in einem abgedunkelten Raum, voller technischer Geräte, mitten in dieser unwirklichen Welt. Du, so winzig klein, so zerbrechlich (1090 g leicht, 35 cm kurz), dass ich kaum gewagt habe, Dich zu berühren.
Ich streichelte Dich ganz behutsam mit einem Finger und konnte noch gar nicht glauben, dass Du jetzt da bist. Ich hatte noch gar nicht richtig mitbekommen, dass Du nun nicht mehr in mir, sondern ab sofort ein eigenständiges Wesen auf dieser Welt warst. Wir hatten doch gar nicht richtig Zeit, uns auf Dich vorzubereiten.
Es folgten noch viele schwierige, sorgenvolle Tage mit starren Blicken in den Überwachungsmonitor, mit der Beatmungsmaschine, den zahllosen Kabeln und Schläuchen die man an Dich angeschlossen hatte und all den „normalen“ Sorgen, die sich junge Eltern nun mal so machen.
Nach 2monatigem Krankenhausaufenthalt durften wir Dich endlich mit nach Hause nehmen. Nun haben wir gerade Deinen 6. Geburtstag feiern können. Man sagt, Du bist jetzt stabil. Bis jetzt musstest Du Dich mit vielen Infekten, insgesamt sechs Krankenhausaufenthalten und vier Operationen rumschlagen. Und doch hast Du Dich gut entwickelt und bist unser großer Sonnenschein.
Nun sind wir dabei, Deine feinmotorischen Defizite zu therapieren, denn ein neuer Lebensabschnitt wartet auf Dich – die Schule. Aber mit den Ärzten und Therapeuten, vor allem der Ergotherapie im SPZ, mit Papa und mir und mit Deinen Omas und Opas sollte uns das gelingen. Aber Du kannst Dir sicher sein, dass Du geliebt wirst und das vielleicht sogar ein bisschen mehr als sonst ein Kind auf dieser Erde.